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Piercingschmuck Vol.2: Das Material machts!

Aktualisiert: 1. Apr. 2022

Leider gehört es nach wie vor zum Standard, dass viele Studios und so gut wie alle Onlineshops, die an Endkund*Innen verkaufen, Material nutzen, welches für den Einsatz im Körper nicht geeignet ist, ganz davon abgesehen, was bei verschiedenen Drogerie- und Modeketten an kleinen Schmuckständern baumelt.

Es gibt einige wichtige Komponenten, die für ein sicheres Tragen von Piercingschmuck von Bedeutung sind. Ein wichtiger Faktor, wenn nicht der wichtigste, ist die Biokompatibilität.


Biokompatibilität und Implantierfähigkeit für Piercings


Biokompatibilität bedeutet, dass ein Werkstoff und Material, die im direkten Kontakt mit Gewebe stehen, keinen negativen Einfluss auf dessen Stoffwechsel ausüben. Piercings, die auf Dauer im Körper liegen, dürfen keine Abwehrreaktion des Immunsystems hervorrufen. Das hängt ab vom Durchmesser und eben auch dem Material und bei abgeheilten Piercing und deren Schmuckwechsel essentiell.


Es gibt Unmengen an Schmuckverkäufern, die ihre Waren in einer Fülle verschiedener Materialien anbieten, viele denken direkt an Chirurgenstahl oder Bioplast und verbinden damit ein spontanes Gefühl der Sicherhei, doch am sichersten ist Titan als Material für Schmuck im Körper. Aber nicht jeder Schmuck, den ihr aus Titan bestellen könnt, ist empfehlenswert, denn wir benötigen implantierfähiges Titan.


Dieses wird nach ASTM oder ISO-Standards gemessen.

ASTM International (früher unter American Society for Testing and Materials) ist eine Standardisierungsorganisation, die Materiale für verschiedene Bereiche, u.a. den Medizinbereich, einkategorisiert, mit Sitz in den USA.

In Europa sind die Maßgaben nach der ISO weiter verbreitet. Die Internationale Organisation für Normung sitzt in der Schweiz.


Titan, Stahl oder Gold: welches Material eignet sich gut?


  • Titan ist ein Material, welches nickelfrei ist. Das besondere daran ist, dass es in verschiedenen Farben anodisiert werden kann, ohne mit einer Legierung zu arbeiten, die nicht optimal für das Tragen im Körper geeignet ist. Kategorisiert ist es wie folgt: Ti6Al4V ELI - ASTM F-136, ASTM F1295, ISO 5832-3 oder ASTM F-67. F bedeutet, dass es für den medizinischen Gebrauch ist, ELI steht für "extra low interstitial", was einen stärkeren Grad des Metals für Langzeitnutzung im medizinischen Implantationsbereich beschreibt, es wird also beispielsweise bei Wirbelsäulen-Ops oder Knie-Ops genutzt.

  • Stahl funktioniert unter folgender Prämisse: ASTM F-138 316-LVM oder ISO 5832-1, ISO 10993-6/10/11 oder EEC Nickel Directive - konform. F bezieht sich wieder auf die medizinische Komponente, VM bedeutet vacuum melted. Vakuum Induktionsschmelzen beschreibt einen Prozess, bei dem Verunreinigungen entfernt werden und schafft ein besseres Finish für die Oberfläche. Wenn wir von implantierfähigem Stahl sprechen, was obligatorisch für das Einsetzen im Körper ist, ist dieser Vorgang essentiell, denn tatsächlich wird so eine Oberflächenschicht geschaffen, die das Eindringen von Nickel in den Körper verhindern kann. WICHTIG: wir reden hier nicht von Chirurgenstahl, denn der Begriff ist schlicht ein Fantasiebegriff, in dem jede Materialmixtur enthalten sein kann. Hier wird sich auf implantierfähigen Stahl bezogen, aus dem i.d.R. der erwerbbare Schmuck im Einzelhandel nicht gemacht ist. 316L Chirurgenstahl beinhaltet 6-13% Nickel und ist für (frische) Piercings absolut (!) ungeeignet! Die Catchphrase ist hier einfach das Wort "chirurgisch", es suggeriert Sicherheit, welche bei diesem Material nicht gegeben ist!

  • Niobium ist Titan sehr ähnlich und wird von vielen Studios benutzt, die sich auf high quality - Schmuck spezialisiert haben und ist dementsprechend unter einer guten Supervision, auch, wenn es keiner Kategorisierung der Implantierfähigkeit unterliegt. Wie Titan kann es anodisiert werden und hat den weiteren Vorteil, dass es auch Schwarz gefärbt werden kann.

  • Gold ist ebenfalls nicht kategorisiert, aber da es seit Jahrhunderten bzw. Jahrtausenden mit hervorragenden Ergebnissen für Körperschmuck genutzt wurde, ist seine Verträglichkeit bewiesen. Es ist Nickel- und Cadmiumfrei. Die Biokompatibilität kommt mit einer Legierung. Gold wird in Karat gemessen, je höher das Karat ist, desto reiner ist das Gold. Jedes Karat ist 1/24, d.h. 24k ist reines Gold. 18 Karat sind 18 Teile Gold zu 6 Teilen eines Füllmaterials. Die Range von 14k und 18k ist optimal für den Gebraucht im Körper, höheres Karat bedeutet, dass das Material zu weich ist und es so schnell zu Kratzern oder anderen Schädigungen der Oberfläche kommen kann, oftmals schon durch das normale Reinigen. Es ist sehr wichtig, Gold nur von namenhaften Firmen zu kaufen, da das Füllmaterial oft Nickel ist und das ist für viele oft ein Allergieauslöser. Firmen wie beispielsweise Junipurr, Neometal oder Norwoch testen ihr Material entsprechend, damit kein Nickel enthalten ist.

  • Platin ist hervorragend geeignet, um im Körper getragen zu werden, aber da der Preis unverhältnismäßig hoch ist, fällt dieses in der Regel raus.


Plastikschmuck als Alternative - bitte nicht!



Ein No Go ist bei Piercings tatsächlich das, was wir unter Bioplast, Bioflex oder PTFE kennen. Die kleinen Plastikstäbe sind weder implante grade noch biokompatibel. Firmen, die Bioplast-Piercings verkaufen, haben weder Datenblätter veröffentlicht noch Studien durchführen lassen.

Es gibt durchaus "Plastik"-Varianten, die für den Körper geeignet sind, allerdings sind die Preisspannen Indikator dafür, dass es sich nicht um jenes Material handelt, diese lägen dann nämlich deutlich höher. Schlechte Kunststoffpiercings können durchaus Weichmacher an den Körper abgeben - da sind wir uns alle einig, dass das nicht das Optimum ist.

Die Oberfläche kann nicht poliert werden und wird mit der Zeit immer poröser, weshalb sich dort sehr einfach Bakterienherde sammeln können und es unabdingbar ist, sollte sich für Plastik entschieden werden, dieses regelmäßig zu wechseln.


Auch das Argument für eine zahnschonendere Methode zählt nicht, denn alles, was härter als Zahnfleisch und Zähne ist, kann diese schädigen. Orale Piercings sind immer ein potentielles Risiko, dieses minimiert sich mit einem passenden Winkel und vor allem passendem Schmuck.


Die einzigen Vorzüge, die Schmuck diesen Materials bietet, sind Vorteile für das Studio selbst:

  • billig im Einkauf (damit ist ein 30 Euro Piercing schon fast Wucher)

  • billig im Lager: der Schmuck kann beliebig gekürzt werden und muss nicht in verschiedenen Größen vorhanden sein


In dem Zuge ist es selbstredend deutlich bequemer und billiger und mit einer viel höheren Gewinnmarge versehen, wenn wir mit Kunststoff arbeiten würden.

Aber am Ende des Tages geht es um eure Gesundheit und auch uns ist ein ruhiger Schlaf wichtig, weswegen wir bestrebt sind, euch nicht nur ein schönes, sondern auch sicheres Piercing zu gewährleisten.


 

Und zum Abschluss: Lasst euch nicht von catchy Slogans anteasern, Schmuck, der super-billig ist, ist dies aus einem Grund. Die Werks- und Herstellungskosten sind so verschwindend gering, dass das Material einfach nicht gut sein KANN!

Die Konsequenz daraus sind massive Probleme bei der Abheilung, wenn es denn überhaupt heilt, Fremdkörpergranulome, Entzündungen, etc.

Erspart euch das und greift auf Material zurück, welches faktenbasiert sicher für euren Körper ist. .

 



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