Es ist nun endlich soweit, Du hast Dein Piercing bekommen und hast den schwierigsten Teil geschafft.
Denkste!
Denn jetzt gehts tatsächlich erst richtig los - Pflege und Vorsicht ist nun oberstes Gebot, um Dein Piercing ohne größere Komplikationen abheilen zu lassen. Je nach Stelle ist das manchmal doch ein kleiner Marathon von mehreren Monaten und auch ein Jahr kann im Fall eines Knorpelpiercings nicht ungewöhnlich sein.
Seid also sachte mit euch: Gut Ding will Weile haben und jede Person braucht individuell Zeit, um ein Piercing abzuheilen.
Selbstverständlich ist das auch von der Stelle abhängig - ein Industrialpiercing braucht wahrscheinlich deutlich länger als ein Piercing in der Lippe. Aber auch andere Komponenten spielen hinein.
Wenn Du in eine richtige Erkältung hinein rutscht und Dein Körper dementsprechend geschwächt ist, kann es Dich im Heilungsverlauf mal zurückwerfen oder diesen etwas stockig gestalten. Ebenfalls Impfungen können ein Thema bezüglich des Abheilen werden, da diese ebenfalls in das Immunsystem eingreifen können und es somit zusätzlich belasten.
Ein Punkt, bei dem viele etwas ungläubig schauen, ist Stress. Denn ja, auch viel Stress, egal ob Deadlines, Klausurenphasen oder auch private Baustellen können Deinem Körper viel abverlangen.
Wichtig ist dabei auch, wie Du selbst mit Stress umgehst und was Dich individuell stressbedingt belastet. In der Medizin ist es weithin bekannt, dass Stress Krankheiten auslösen kann (oder Krankheiten Stress). Somit ist es nicht verwunderlich, dass viel davon auch die Abheilung Deines Piercings essentiell beeinflussen kann. Um es etwas besser zu verstehen ist es vielleicht interessant zu sehen, was Stress im Körper auslöst.
Der Körper setzt entsprechende Stresshormone frei, das sind Adrenalin und Noradrenalin. Durch diese steigt der Blutdruck und Blutzuckerspiegel, der Herzschlag wird schneller und stärker und die Bronchien erweitern sich, um mehr Sauerstoff zu bekommen.
Ein weiteres Hormon ist Kortisol, welches in der Nebennierenrinde gebildet wird und für das Management von Stress wichtig ist. Auch dieses lässt Blutzucker und -druck ansteigen und beeinflusst den Stoffwechsel im Gehirn. Der Körper wird also in Alarmbereitschaft gesetzt.
DHEA (Dehydroepiandrosteron) hält Kortisol in der Waage und verhindert, dass das Stresssystem nicht überlastet.
Wird Kortisol allerdings in vermehrter Sekretion gebildet, weil der Körper dauerhaft belastet ist oder beispielsweise eine zusätzliche, systemische Gabe erfolgt, kommt es zu weiteren Effekten:
Kortisol blockiert entzündliche und immunologische Prozesse.
Kortisol hat immunsuppressive Eigentschaften: angeborene und erworbene Immunreaktionen werden unterdrückt (deswegen werden Kortisonpräparate bei allergischen Beschwerden genutzt)
Kortisol beeinflusst die Produktion und Verteilung von neutrophilen Granulozyten, Erythrozyten und Thrombozyten aus dem Knochenmark.
Kortisol hat eine antiproliferative Wirkung, es unterdrückt die Vermehrung von Fibroblasten, also Bindegewebszellen.
All dies sind Punkte, die Abheilungszeiten sehr individuell gestalten und zwar nicht nur bei zwei Personen, sondern manchmal auch bei zwei Piercings an der gleichen Person.
Aber was ist denn zu erwarten, wenn ein neues Piercing im Gewebe platziert wurde?
Wir machen oft die Erfahrung, dass manche Personen Symptome, die völlig normal sind, beunruhigen. Und auf der anderen Seite gibt es Symptome, die so nicht vorkommen sollten, die unerfahrene Kund*Innen als gar nicht so sehr behandlungsbedürftig wahrnehmen. Im Zweifelsfall ist da also wirklich eine Rücksprache mit uns am sinnvollsten.
Nachdem oben nun in aller Kürze besprochen wurde, was eine Heilung alles beeinflusst, kommen wir nun zu dem Part, an dem wir besprechen, was perfekt normal nach einem frischen Piercing ist.
Was direkt nach dem Stechen auftreten kann und 1-4 Wochen hinaus durchaus immer mal wieder auftreten kann sind folgende Symptome:
Schwellungen
Rötungen
Nachblutung
Sekretbildung
Schmerz- und/oder Druckempfindlichkeit
Hämatome
All dies ist völlig normal und ist zu erwarten - wir sprechen von einer frisch zugefügten Wunde, die zwar ziemlich hübsch geschmückt ist, dennoch aber eine ordentliche Gewebsverletzung ist.
Gerade der Aspekt bezüglich des Fremdkörpers darf nicht vernachlässigt werden, denn gerade dieser macht die Abheilung deutlich langwieriger.
So sind die oben genannten Punkte durchaus normal, aber in manchen Situationen sollten sie doch besser bei einem Kontrolltermin begutachtet werden.
Schwellung
So normal eine Schwellung bei verletztem Gewebe ist, so problematisch kann sie ab und zu auch sein. Alles, was über eine normale Schwellung in der Anfangszeit hinaus geht, sollte nochmal besprochen werden.
Gerade Schwellungen, die durch kleine Traumata wie Hängenbleiben, Stöße oder Belastung wie auf der gepiercten Stelle liegen, können sich - wenn sich nicht schnell darum gekümmert wird - schnell zu schmerzhaften Problemen werden. Schwellungen, die limitiert werden, sich also nicht entsprechend ausdehnen können, schaffen Schmerz und Behandlungsbedarf.
Auch Gesundheits- und Immunverfassung, entsprechende Medikamente oder Alkoholkonsum können Grund dafür sein, genauso wie die Tatsache, dass jeder Körper anders ist und auch Schwellungen manchmal viel umfangreicher werden, als ursprünglich angenommen.
In der Regel kann mit einem entsprechend längeren Labret gegen gehalten werden und die Schwellung hat sich in wenigen Tagen wieder normalisiert.
Kurz gesagt: eine kleine Schwellung ist völlig okay, eine deutlich größere sollte kontrolliert werden, sofern es sich aber nicht um eine Infektion handelt, ist auch das kein großes Problem, nur eine Frage des guten Zeitmanagements. Zu lange sollte da nämlich nicht gewartet werden.
Rötung und Druckempfindlichkeit
Völlig normal, darf und wird wahrscheinlich auch so sein, denn auch, wenn ein Piercing in erster Linie sehr hübsch aussieht, ist es eine Wunde, die mit einem Fremdkörper versehen wurde. Durch Druck und Bewegung kann es sein, dass es auch immer mal wieder eine Empfindlichkeit in dem Bereich gibt. Diese Empfindlichkeit kann durchaus immer wieder im Heilungsverlauf auftreten, je nachdem wie sorgsam ihr mit eurem Piercing umgeht. Die Heilungsdauer ist in der Regel immer mehrere Monate oder durchaus auch mal über ein Jahr (manche Piercings auch mal mehr) und sollte so gut es geht symptomfrei sein. Leider wird das Wegbleiben von Symptomen oftmals mit Heilung gleichgesetzt, was definitiv (!) nicht der Fall ist. Unser Ziel ist es ja, dass das Piercing gut und ohne weitere Komplikationen abheilt, aber dafür muss mensch je nach Stelle auch für lange, lange Zeit etwas tun.
Es gilt also: Nur, weil es nicht mehr druckempfindlich ist, ist es noch lange nicht abgeheilt. Rötungen sind anfangs ein ganz natürlicher Vorgang durch die erhöhte Durchblutung der Stelle und sind kein Grund zur Sorge. Andererseits gibt es natürlich auch bei Rötungen und Druckempfindlichkeiten, die auf jeden Fall nochmal vor Ort besprochen werden sollten: Sehr dunkle und lang anhaltende Rötungen, genauso wie ein dauerhaftes Unwohlsein im Bereich des Piercings. Diese Kombination zuzüglich einer Schwellung sind immer Grund sofort (!) zur Kontrolle zu kommen.
Hämtome
Ein Hämatom, auch als blauer Fleck bekannt, ist eine Ansammlung von Blut aus den Blutgefäßen, welches in einen Hohlraum eingetreten ist. Hämatome entstehen durch Gefäßschädigungen, die auch beim Piercen der Fall sind. Durch das geschädigte Gefäß sichert das Blut in das umlegende Gewebe ein und färbt dieses in seine charakteristischen blau-violetten Farbe.
Blaue Flecken um ein frisches Piercing sind für viele Kund*Innen oftmals ein Grund zur Sorge und machen Angst, tatsächlich sind diese aber oftmals völlig normal und kommen durchaus vor.
Es hängt davon ab wie anfällig die entsprechende Person für blaue Flecken ist: es kann einfach eine generelle Prädisposition, aber auch medizinische Faktoren sein, die Hämatome bedingen. Aber auch die Stelle des Piercings an sich spielt eine Rolle. Die Stellen um die Augen herum ist etwas anfälliger, also bspw. Augenbrauen, Bridge, Dermal Anchors.
Sollte dies auftreten, ist eine kurze Kontaktaufnahme immer ratsam, damit überprüft werden kann, ob alles im Rahmen der Normalität liegt, aber hier gilt: Hämatome kommen vor und sind nichts dramatisches (in der Regel!).
Blutungen
Die Kombination aus Nadel und Gewebe legt nahe, dass Blutungen durchaus vorkommen. Direkt nach dem Stechen, aber auch in der Abheilungsphase. Die meisten Blutungen treten innerhalb der ersten Woche auf und manifestieren sich als blutige Kruste um das Piercing herum. Manche Piercings neigen auch zu deutlich längen Phasen der Nachblutung, z.B. Genitalpiercings, Oberflächenpiercings oder Piercings im Oralbereich.
Alkohol- oder Koffeinkonsum begünstigen Blutungen, da sie blutverdünnend wirken.
Sollten die Blutungen sehr stark sein oder übermäßig lange anhalten, ist eine Kontrolle vor Ort wichtig und sollte durchgeführt werden.
Sekretbildung
Sekretbildung ist ein völlig normaler, wundreinigender Prozess einer Wunde und wird das Piercing auch durchaus lange begleiten, denn tatsächlich wird die Sekretbildung ein Teil der kompletten (!) Heilphase sein und immer wieder in verschiedenen Teilabschnitten auftreten. Das ist kein Grund zur Sorge, auch, wenn das Piercing beispielsweise kaum Kruste bildet - auch dies ist von Person zu Person unterschiedlich.
Wundsekret ist ein Filtrat des Blutes und damit ein Gemisch aus Wasser, Zellteilen, Lymphozyten und Eiweiß. Es kann dünn- bis zähflüssig sein und ein Farbspektrum von durchsichtig-klar bis gelblich haben. Die Aufgaben sind u.a. wie oben schon genannt die Reinigung der Wunde, Ausschwemmen von abgestorbenem Gewebe, Befeuchtung der Wunde, was die Zellteilung fördert und schließlich der Verschluss der Wunde durch Schorfbildung. Zuviel Sekretbildung ist ein guter Nährboden für Bakterien und kann zu Problem in der Abheilphase führen, weswegen eine anfängliche, gründliche Reinigung unerlässlich ist.
Wie normal ist normal? Abschießend ist zu sagen: Menschen, die ein Piercing bekommen, werden zu einer großen Wahrscheinlichkeit mit den oben genannten Symptomen konfrontiert werden - mal weniger, mal mehr. Eine normale Menge oder ein normales Ausmaß ist daher immer ein wenig schwierig einzugrenzen. Bei Unsicherheiten ist es immer (!!) okay nachzufragen und Dinge abklären zu lassen. Wichtig ist, dass aus der Abheilphase keine Raketenwissenschaft gemacht wird und ein wenig Entspannung trägt immer zu einer guten Abheilung bei.
Allerdings ist es ebenfalls Fakt, dass die gesamte Abheilphase - mehrere Monate bis auch eben mehr als ein Jahr - auf die Piercings aufgepasst werden muss. Die symptomlose Abheilung ist immer das Ziel, allerdings gelingt das nur, wenn sich auch die gesamte Zeit entsprechend darum gekümmert wird. Darunter fällt, dass nicht daran gefasst wird, gewaschene Hände, nicht darauf schlafen und all die anderen Dinge, die in der Aufklärung vorher genannt werden.
Bitte nehmt euch das zu Herzen, damit euer Piercing gut und entspannt abheilen kann.
FAQ: Wie heilt ein Piercing am besten ab? - Die wichtigsten drei Basisbausteine sind: Hände weg, also nicht daran herumspielen, drehen oder sonstiges. Wenn an das Piercing gefasst werden muss, dann ausschließlich mit gewaschenen Händen und das für die komplette Abheilungszeit. Ebenfalls ist es wichtig, Druck zu vermeiden, d.h. keine Kopfhörer, Helme, Stethoskope, nicht darauf liegen, etc. Als drittes ist ein Downsizing wichtig, der lange Stab wird gegen einen kürzeren getauscht. All dies kombiniert mit einer Pflege aus Kochsalzlösung schafft eine gute Mischung für eine Abheilung.
Wie lange dauert es bis ein Piercing abgeheilt ist? - Das ist je nach Stelle unterschiedlich: von einigen Wochen bis hin zu mehr als einem Jahr (oder länger) ist alles möglich. Es kommt immer darauf an, wie gut sich um das Piercing gekümmert wird, die wie die Konstitution der Person selbst ist und wie gründlich die Pflege ist.
Wie lange tut ein neues Piercing weh? - Auch hier kommt es auf die Stelle an, aber einige Tage bis einige Wochen ist alles möglich. Bei Unsicherheiten nicht hier in Google landen, sondern den*die Piercer*in fragen :)
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