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(WE) LOVE YOUR INDIVIDUALISM: mit einem Piercing zu mehr Selbstliebe

Aktualisiert: 1. Apr. 2022


Den Status Quo des eigenen Körpers zu akzeptieren ist in einer Zeit, in der Medien aller Art diktieren, was schön ist und was nicht, kein einfacher Prozess. Durch die tägliche Flut an Menschen, die digital Selbstoptimierung und Perfektion leben und zeigen, wächst der Druck auf Menschen "in der normalen Welt" massiv. Ob wir TikTok, Instagram oder sonst ein Medium nutzen, immer wieder wird uns vorgegaukelt, dass andere erfolgreicher, schöner und besser sind als wir und unsere (vermeintlichen!) Flaws wachsen ungebremst ins Unermessliche.

In einer Welt, in der das Superlativ gerade gut genug ist, ist Mithalten anstrengend, laugt aus und ist am Ende des Tages auch gar nicht möglich.

Und gerade deswegen, in all der Hektik und dem Stress, ist es essentiell, sanft zu sich selbst zu sein und dann:

Mutig sein! Und wild!


Unser Körper mag zwar gegeben sein, aber in unserer Hand liegt immer noch die Möglichkeit das, was wir als nicht schön wahrnehmen, für uns schön zu machen. Das geht auf unglaublich vielen, individuellen und vor allem kreativen Wegen: Schminke, Kleidung, Tattoos und auch Piercings.


Denn auch (und gerade!) diese haben die unglaubliche Macht, das einst so steinerne, negative Selbstbild bröckeln zu lassen, indem wir all die Stellen, die uns nicht perfekt genug, schön genug, vollendet genug vorkommen, verzieren und sie so zu einem mehr und immer mehr geliebten Teil von uns machen können.

Nicht nur der geschichtliche Aspekt ist hinsichtlich dessen beeindruckend, wurden Piercings doch als Statussymbole von Schönheit und Stärke gesehen und auch heute haben sie nichts von dieser Macht eingebüßt.


Für uns als Piercer*Innen ist das sehr deutlich spürbar und zwar in der Sekunde, in dem ihr von der Liege aufsteht und in den Spiegel guckt: dieser Moment ist ungelogen magisch. Nichts bestätigt uns mehr darin, dass das, was wir tun, ein unglaublich tolles und großes Privileg ist.

Und es ist eben Tatsache: ein kleines Schmuckstück für Dich, ein großer Schritt für Dein Selbstbild.



Und wenn Milliarden in die Selbstzweifel von Menschen investiert werden, bleibt die Liebe zu sich selbst ein revolutionärer Akt.

Jede Person von uns hat einen Teil an sich, den sie*er nicht besonders schätzt oder vielleicht sogar gar nicht mag: eine zu große Nase, der Bauch ist nicht flach genug, die Brust sieht nicht so aus wie in den Medien dargestellt - die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Körper sind und bleiben verschieden, selbst wenn wir alle das Gleiche essen und die selben Workouts machen würden, wir und unsere Körper blieben verschieden, und zwar verschieden gut.



Eine ganze Sparte von Unternehmen spezialisiert sich darauf, Selbstzweifel und Unsicherheiten zu schüren, damit deren Produkte einen Absatz finden und hey, wir alle finden irgendetwas, was uns unsicher werden lässt, aber anstatt es zu verstecken, liegt für viele die Selbstermächtigung im Schmücken und Unterstreichen dessen: ein bisschen Funkeln an der Nase oder den Ohren und schon ist ein Teil, der vorher nicht sehr geliebt wurde, besonders geschmückt und steht in einem völlig neuen, anderen und liebenswerteren Licht.


Du magst plötzlich, was Du siehst.

Gar nicht mal so selten hört es bei dieser Sache nicht auf, denn anstelle Deine von Dir als zu groß empfundenen Ohren grübelnd zu betrachten, beginnst Du zu planen, wie es weitergehen soll, welches Steinchen wo ein guter Akzent wäre und wo unbedingt ein Ring hin soll und just in diesem Moment verwandelt sich die Abneigung in Selbstakzeptanz; und dann in Selbstliebe.


Mit einem Piercing durchlauft ihr einen ganz besonderen Prozess, der euch eurem Körper wieder näherbringend kann: die Aufregung, Nervosität oder Angst vor dem Stechen, der Moment, in dem ihr das überwindet und schließlich der Schritt vor den Spiegel - ein ganzer Marathon in Mikroform liegt hinter euch, denn ihr habt euch getraut und v.a. auch der anderen Person im Raum vertraut: uns, den Piercer*Innen, die die große Ehre haben, euch zu begleiten und ein Teil dieses Weges und der damit verbundenen Transformation zu sein.

Der Moment auf der Liege ist eben einer, in dem ihr Kontrolle abgebt und euch einer Situation freiwillig ausliefert und gerade deswegen: ihr seid so stark und unglaublich in dem, was ihr schaffen könnt, wenn ihr das wollt.

Jede Person, Du oder ich, hat ihr eigenes Tempo, um etwas Sanftheit in die Beziehung zum eigenen Körper einflechten zu können, etwas gnädiger sich selbst gegenüber zu werden und so geht der letzte Schulterschluss des Friedenschließens mit der langen und achtsamen Versorgung des frischen Piercings einher, welches meist monatelange Aufmerksamkeit bezüglich der Pflege bedarf. Und so siehst Du diese eine Stelle, die Dir so Dorn im Auge war, plötzlich aus anderen Augen, kümmerst Dich und pflegst und heilst vielleicht ein kleines Stück mit, denn dieses Körperteil - Deine Nase oder Ohren oder Brust - wird normal und alltäglich und und ein bisschen schöner mit jedem Tag, der vergeht; und auch Dein Blick darauf wird sanfter.

Dein Körper - unser aller Körper! - leistet jeden Tag unglaubliches für uns und nicht alles davon geht spurlos daran vorüber und das ist völlig ok. Selbst, wenn Dein Körper kein Kind geboren oder durch eine schwere Krankheit gegangen ist, darf er aussehen wie er ist und verdient den absolut gleichen Respekt wie jeder andere auch, denn alle Körper sind gute Körper, schöne Körper und wichtige Körper, die bekleidet, bemalt und auch beschmückt werden dürfen, wie ihr es wollt.

Gesellschaftliche Kategorien von "schön" und "nicht schön" haben keine Existenzberechtigung, diese gehören übergangen und gesprengt. Ihr seid so wunderbar und einzigartig in eurem Sein, lasst euch von so etwas nicht klein halten.

Und glaubt mir, wenn wir als Piercer*Innen einen Teil dazu beitragen können, dass ihr euch ein klein wenig mehr mögt, dann machen wir das mit der größten Freude. Wenn es Dir hilft, für Dich selbst mehr Verständnis und Wohlwollen zu empfinden, kann ich nur eines sagen:


COUNT ME IN.


Und nun tut mir einen kleinen Gefallen, wenn ihr es bis ans Ende dieses Textes geschafft habt: nehmt euch den Moment, atmet mal durch und schätzt es, wie weit euch euer Körper gebracht hat. Euer Körper, der Liebe, Respekt und Toleranz verdient hat. Ihr seid euer längstes Commitment, also habt ihr es verdient, dass ihr euch selbst auch so behandelt, auch wenn der Weg dahin lang ist und nicht immer leicht. Aber es lohnt sich.

Und falls ihr es gerade hören müsst: ihr seid gut, ihr werdet geliebt, ganz genauso wie ihr jetzt seid.





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